Irgendwie ein ganz normaler Tag. Fast irgendwie. Eigentlich. Aber dann doch wieder ganz anders. Mittwoch. Sonne scheint. Der Hund sitzt. Allewettertaff. Immerhin. Und dennoch:
Den da vorne kenne ich. Flüchtig. Der Blick. Eine Versicherung? Einen Kobold? Nein, vielleicht besser rasiert. Vielleicht mit einer Haarlänge über 2 mm. Obwohl – Haustürgeschäfte… Lustig sind auch die Geschniegelten, die amerikanisch aussehenden Anzugträger. Die würde ich gerne mal mit Jehovas Berufszeugen zusammen in einen Fahrstuhl sperren. Die Unsichtbaren. Treten in Kartenform auf. Lokation Hausbriefkasten. Ab 2. Etage und 5kg aufwärts. DHL. Die Ungnade der falschen Wohnung. Da kann man zu Hause sein, wie man will. Mit Jehovas Zeugen zeugen, oder mit dem GEZ-Lügner fernsehen. Der streitet sich gerade mit dem Gerichtsvollzieher. Muss ich zahlen, wenn der Fernseher weg ist? Ach… Der Herr pfändet im Auftrag der GEZ? Jehovas Zeuge will schlichten und haut mit dem Wachturm dazwischen. Kein Fahrstuhl. Kein Kobold. Der Arme hat keinen Strom. Wie auch. Nachbarwohnung? Die Amerikaner wollen über Jesus reden und lassen keinen durch. Jesus!
Irgendwo habe ich den da vorne aber schon gesehen. Doch. Ausgiebig. Der Blick. Ob ich was? Nein, ich beantworte am Telefon keine Fragen über meine Hörgewohnheiten. Der Hund hat gelbe Augen und ich kann nicht weg. Kaffee für alle? Ach ja, der Strom. Inzwischen surrt nebenan der Kobold. Not macht erfinderisch.
Nein, Mutter, alles in Ordnung. Der Lärm hinter mir? Der Fernseher. Ja, ich mache gerade mal Pause. Kaffee. Sicher. Nein. Das Festnetz.. Nein. Alles klar. Nein… Telefon kaputt. Doch. Ja. 100 €? Musst Du… Musst Du nicht… Montag? Nein, wirklich nicht. Danke.
Himmel, was hängt da für ein Kabel über den Hinterhof? Ach so, die Tüten gibt’s nur von Vorwerk. Toll, jetzt noch der Schornsteinfeger und die Bude ist voll. Himmel.
Der da vorne ist mir recht vertraut beim näheren Hinschauen. Zwinkert. Der Blick. Fliesen reinigen auch? Nur ein Vorsatz? Na super. Vorsatz. Haut die Sicherung raus. Gegenüber. Nebenan auf meinem Sofa: der GEZ-Lügner und Jehovas Zeuge 1 blättern im Wachturm. Gut. Im Bettkasten drunter liegt Laptop und TFT. Und das Besteck von Oma. Bleibt sitzen. Ja, auf dem Kobold auch. Läuft doch nicht. Beidseitig vom Hof hängen verkohlte Kabelreste. Super. Und der Lärm. Muss man schreien im Gespräch über Jesus? Ich mache die Nachbartür zu. Die Menschentraube im Gang wendet und wendet sich meiner Wohnung zu. Lasst doch mal das Kind nach vorn. Und den Kobold durch. Toll. Da klebt jetzt ein Kuckuck drauf. Der Typ vom Amt ist der einzige, der lacht. Raus hier. Jetzt. Heilige Mutter Gottes.
Der da vorne ist unsichtbar, ist nicht mehr da. Weg. Schön. Auf dem halbrunden Tischchen liegt einsam ein Wachturm. Nebenan weint der GEZ-Lügner. Die Jehovas sind inzwischen in die Nachbarwohnung eingedrungen. Der Mob hat das Treppenhaus geräumt. Meine Chips sind auch weg. Im Haus gegenüber brennt eine Wohnung. Wahrscheinlich Kurzschluss. Trottel. Vom Balkon aus sehe ich den Mob nun auf dem Hof. Gucken alle nach oben. Klar. Sogar der Gerichtsvollzieher. Nebenan wird das Geschrei lauter. Polterabend? Na super. Blaue Schutzkleidung mit Äxten drüben, grün Uniformierte mit Schusswaffen hier. Holz splittert, die Lage beim Nachbarn wird unübersichtlich. Geschrei. Der GEZ-Lügner liegt im Hof mit dem Wachturm in der Hand. Er rannte einfach an mir vorbei. Hat sich nicht mal verabschiedet. So sind sie. Endlich Ruhe.
Da vorne ist niemand mehr zu sehen. Allein. Ein Blick auf den Friedhof. Frieden. Wir haben ein Abkommen: ich lasse ihm seine Pflanzen und bleibe dafür, wo ich bin. Geschrei. Ein Querschläger von nebenan hat drüben den obdachlosen Mieter getroffen. Im Treppenhaus. Der Mob johlt. Blitzlicht. Knistern und Krachen. Der Dachstuhl sinkt in sich zusammen. Funken fliegen. Das THW greift vom Friedhof an. GSG 9 seilt sich ab. Blendgranaten. Der Rettungshubschrauber kann nicht im Hof landen. Ruhe! Kopfhörer auf, Kerzen an. Knisternder Feuerschein von draußen. Ein trockener Veltiner im Glas. Keith Jarrett. Köln Concert. Ein Traum!
Und Morgen hänge ich einen neuen Spiegel auf und sehe darin den ollen Kuscheltagsromanticker weiter ticken.